Sollte ich mich gerade jetzt, in Corona-Zeiten, neu bewerben? Wie fühlt sich ein Vorstellungsgespräch oder Assessment Center per Videokonferenz an? Viele Jobeinsteiger und Berufserfahrene, die vor einem Arbeitgeberwechsel stehen, haben Fragezeichen, was den digitalen Einstellungsprozess angeht. Ann-Kathrin Sohl hat ihn durchlaufen. Sie startete am 1. Juli bei der HDI Global SE und arbeitet jetzt im Programm HDI Global 4.0 als Projektleiterin. Im Interview berichtet sie, wie sie in Zeiten von Corona bei HDI angekommen ist.
Der Einstellungsprozess für meinen jetzigen Job startete im März. Das fiel genau mit dem Shutdown zusammen. Zu Beginn gab es einen Telefonkontakt, bei dem ich meinen heutigen Chef und das Tätigkeitsfeld kennenlernen konnte. Ende März folgte ein schriftlicher Onlinetest, zwei Tage später das Assessment Center per Videokonferenz. Ich habe mich eingewählt, dann gab es zuerst ein kurzes Kennenlernen. Mir wurden zwei Aufgaben per Mail zugeschickt, die habe ich mir durchgelesen und direkt offene Fragen geklärt. Ich hatte circa eine Stunde, um zuhause am Schreibtisch meine Aufgabe vorzubereiten – in dieser Zeit haben sich alle auf stumm geschaltet. Meine Lösungspräsentation dauerte dann zehn bis 15 Minuten mit anschließendem Feedback – dabei konnte ich die Personalerin und meinen angehenden Chef live per Starleaf-App sehen. Mit der zweiten Aufgabe wurde im selben Turnus verfahren. Das hat sehr gut funktioniert.
Ich habe es im Großen und Ganzen zuhause als angenehmer und weniger aufwendig empfunden. Im Vergleich zu einem langen Tag mit Hotelübernachtung – ich wohnte damals noch in Hamburg – ging es recht zügig. Das reine Assessment-Center mit den Aufgaben hat nur zweieinhalb bis drei Stunden gedauert.
Natürlich musste ich meine Arbeitsumgebung etwas vorbereiten. Einige Inhalte habe ich sogar zuhause am Flipchart visualisiert. Vorher hatte mir meine betreuende HDI Personalerin in Ruhe am Telefon erklärt, was mich grob erwartet und mir per E-Mail geschrieben, welche Materialien gebraucht werden und welche App ich installieren sollte. Ich fühlte mich also schon vorher sehr gut abgeholt. Nervöser als bei einem Präsenztermin war ich jedenfalls nicht.
Es war schon ein anderes Gefühl. Sachliche, inhaltliche Aufgaben zu lösen ging per Videokonferenz super. Das andere war die Gesprächssituation. Da ist es schon schwieriger, da man die Atmosphäre im Raum nicht so spürt – gerade auch beim unbekannten Gegenüber. Mimik, Gestik und Gefühle kann man im realen Gespräch schon besser einordnen. Für die sachliche Diskussion mit unterschiedlichen Gesprächspartnern bietet die Videokonferenz aber einen sehr, sehr guten Ersatz.
Tatsächlich konnte ich mich in den ersten Minuten nicht in die Videokonferenz einwählen. Daher lief der Kennenlern-Part zunächst übers Telefon. Das war aber überhaupt kein Problem, sondern wurde von allen Beteiligten locker genommen. Glücklicherweise hatte ich zuhause die luxuriöse Situation, alleine in Ruhe zu arbeiten. Allerdings habe ich vorher die Nachbarn gebeten, in der Zeit leise zu sein – also keinen Baulärm oder Gepolter zu veranstalten. Tage vorher haben nämlich meine Nachbarn das Heimwerken begonnen. (lacht)
Meine erste Woche war als Präsenzwoche geplant, da die Regelungen im Juli bereits etwas gelockert waren – natürlich weiterhin mit Hygiene- und Abstandsregelungen. Erfreulicherweise hatte ich schon am ersten Tag das Gefühl, schon immer dagewesen zu sein. Grundsätzlich arbeiten wir im Team aber weiterhin von zuhause aus. Ich finde es dennoch sehr nett, auch die Möglichkeit zu haben, ins Büro zu kommen und mich persönlich mit meinen Kollegen auszutauschen.
Ich habe den rein digitalen Prozess insgesamt tatsächlich als angenehmer, schlanker und flexibler empfunden. Ich selbst bin einfacher verfügbar, wenn ich mich keinen ganzen Tag ausklinken muss – und bekomme umgekehrt auch schnelle Entscheidungen vom Unternehmen zurück. Es ist gut, dass man einen digitalen Weg gefunden hat, statt den Prozess in die Länge zu ziehen. Auf jeden Fall bin ich jetzt ganz begeistert und froh, hier zu sein.
Das Interview führte Josefine Zucker aus dem Bereich Group Communications.