Feedbackkultur Kolumne

HDI Group ,
15.3.2023

Richtiges Feedback ist so wertvoll. Doch leider ist es häufig so, dass wir nicht gern über Fehler sprechen. Kaum jemand hört gern, dass er oder sie sich falsch verhalten hat oder dass ein fachlicher Fehler passiert ist. Auch aufzustehen und zu sagen „Ich habe eine andere Idee” oder „Das bringt uns so nicht weiter” fällt uns im Rahmen gelernter Hierarchien und Strukturen nicht immer leicht. Doch um erfolgreich als Unternehmen zu bestehen, müssen wir uns konsequent verbessern und an uns arbeiten. Daher ist es extrem wichtig, eine gesunde Fehler- und Feedbackkultur zu schaffen.

1_Caro_Atrium_Ganzkörper

Feedback braucht die richtigen Umstände

Feedback ist etwas sehr Persönliches. Es ist nur menschlich, dass man sensibel darauf reagiert. Diese Offenheit, ja, Verletzlichkeit gilt nicht nur für die Person, die Feedback annimmt, sondern auch für die feedbackgebende Person, denn diese muss ebenfalls erklären, wie sie eine Situation empfunden hat und warum. Deswegen ist es wichtig, dass wir Zeit und Ort für kritisches Feedback mit Bedacht wählen. Ich bin überzeugte Anhängerin von direktem und schnellem Feedback. Es sollten sich alle Beteiligten noch an die Situation erinnern können. Allerdings sollten beide Seiten auch hinreichend Ruhe für das Gespräch haben; zwischen Tür und Angel lässt sich keine vertrauensvolle Atmosphäre schaffen.

Verständnis für den übergeordneten Zweck

Es macht die Sache schwerer, dass kritisches Feedback sich in der Regel auf ein Verhalten bezieht, das jemand als nicht richtig empfindet. Man könnte auch sagen: Es weist auf einen Fehler hin. Wichtig ist hier, dass die Person, die das Feedback erhält, nicht befürchten muss, für ihr Verhalten abgestraft zu werden. Stattdessen ist ein konstruktiver Umgang mit dem fehlerhaften Verhalten erforderlich. Es bedarf des gemeinsamen Verständnisses, dass wir nur besser werden können, wenn wir aus unseren Fehlern lernen. Was voraussetzt, dass wir sie erkennen. Was wiederum voraussetzt, dass wir darüber reden – indem wir uns gegenseitig Feedback geben.

Eine gute Grundannahme für faires Feedback ist, dass jeder für sich logische Gründe für das eigene Verhalten hat. Die allerwenigsten Menschen möchten anderen Menschen schaden. Wenn wir voraussetzen, dass sich die Person in ihrer eigenen Wahrnehmung richtig verhalten hat und ihr dann ganz klassisch die Situation schildern – ihr erklären, was diese Situation bei uns ausgelöst hat und sagen, was wir uns künftig anders wünschen, dann ist Feedback technisch betrachtet gar nicht so schwer. Indem wir die ehrlichen Beweggründe hinterfragen, können wir Schwachstellen und Herausforderungen identifizieren und diese für die Zukunft beheben. Ziel ist es nicht, eine Person bloßzustellen, sondern ein bestimmtes Verhalten gemeinsam zu reflektieren, um uns nachhaltig in der Sache zu verbessern.

HDI_5487_EB_V2_ohne_postits

Positive Erfahrungen sind wesentlich

Um regelmäßiges Feedback zu motivieren, bedarf es guter Erfahrungen. Dazu gehört, dass jedes einzelne Feedback gut aufgenommen wird und keine negativen Konsequenzen nach sich zieht. Und zwar unabhängig davon, auf welcher Hierarchieebene die Person steht, an die sich das Feedback richtet. Eine Kultur, in der das Gesagte des Ranghöheren als universelle Wahrheit gilt, die man besser unwidersprochen stehen lässt, verhindert einen wirklich offenen Umgang mit Feedback und Fehlern. All die Momente hingegen, in denen ich erlebe, dass mein Feedback dankbar angenommen wird und dass sich die Zusammenarbeit daraufhin verbessert, führen dazu, dass es mir künftig leichter fällt, Feedback zu geben. Umgekehrt führen negative Reaktionen wie Augenrollen, Verteidigung oder Gegenangriff dazu, dass wir weniger Feedback geben.

Es liegt in der Verantwortung der Projektleitenden und Führungskräfte, Vorbild zu sein und diese positiven Erfahrungen zu schaffen. Der Schlüssel hierfür sind Empathie und aktives Zuhören. Das bedeutet, der Feedbackempfänger nimmt sich bewusst ein Stück zurück und lässt den Menschen um ihn herum den Raum zu äußern, was sie wirklich bewegt.

Üben, üben, üben

Damit uns Feedback in Fleisch und Blut übergeht, müssen wir es regelmäßig im Alltag üben: Indem wir uns kleine Feedbacks im Team geben. Indem wir mit „leichtem“ Feedback anfangen und nicht nur kritisieren, sondern auch Wertschätzung ausdrücken. Es hilft, sich Feedback physisch, von Angesicht zu Angesicht in einem Raum zu geben – gerade, wenn man sich nicht so gut kennt. Aufgabe der Führungskräfte, Product Owner und Meeting-Moderatorinnen ist es, Feedback zu ritualisieren und immer wieder nachzuhaken: Wie hast du die Situation empfunden? Wie fandet ihr den Termin? Was können wir beim nächsten Mal besser machen?

Je öfter wir zur Reflektion eingeladen werden, umso mehr sind wir auch bereit, Feedback aktiv dann zu äußern, wenn wir selbst einen Anlass sehen. Damit das auch in stressigen Situationen gelingt, ist es wichtig, dass wir Vertrauen und psychologische Sicherheit nicht nur zu besonderen Anlässen wie während eines Team-Events spüren, sondern kontinuierlich in unserem täglichen Umgang miteinander. Feedback kann so zum festen Bestandteil unseres Arbeitsalltags werden.

Echte Offenheit für eine „gesunde“ Organisation

Wir müssen also eine Umgebung und vor allem auch Anlässe schaffen, in denen die Stimmen aller gehört werden – und zwar nicht nur derer, die ohnehin schon „laut“ sind, sondern derjenigen Mitarbeitenden, die das Tagesgeschäft bewältigen, die das Herz des Unternehmens bilden, die mit Kundinnen und Kunden sprechen. Bei HDI stellen wir im jährlichen Organizational Health Check, einer anonymen weltweiten Mitarbeitendenbefragung, fest, wie „gesund“ unser Unternehmen ist und an welchen Stellschrauben wir drehen können, um uns weiter zu verbessern.

Denn in einer Kultur, die nach Innovation und agilem Mindset strebt, muss es zur Normalität gehören, Ideen, Impulse und Fehler offen zu kommunizieren. Echtes Feedback, das ehrlich und konstruktiv ist, das regelmäßig und an den richtigen Stellen passiert, das von den Menschen kommt, bei denen das Wissen im Unternehmen ist, wird uns letztlich nach vorne bringen: in der Zusammenarbeit, im Leistungsniveau und als Unternehmen insgesamt.

Über die Autorin

Caroline Schlienkamp ist Mitglied des Vorstands der Talanx AG. Als Arbeitsdirektorin und Sprecherin des Vorstands der HDI AG ist sie für das Personalressort der Gruppe zuständig. Dieser Text erschien erstmals am 4. Januar 2023 in der Rubrik „Meinung am Mittwoch“ im Versicherungsmonitor.